Eine Unzahl verschiedener Flaschen, Verbraucher, die ihre Kästen nicht zurückgeben und der Wunsch nach höherem Pfand – ist das System Mehrweg in Gefahr?
Es sind vor allem die kleinen Privatbrauereien, die sich derzeit für eine deutliche Erhöhung des Pfandes auf Kästen und Flaschen stark machen. Die finanziellen Verluste wegen nicht zurückgebrachter Pfandkisten werden immer größer. Die Rödentaler Brauerei Grosch geht in die Offensive und verlangt für bestimmte Kästen schon neun Euro Pfand. Das soll ein Aufbruch sein – hin zu einem deutlich höheren Pfand in der Fläche. Doch so einfach wird das nicht, ist Joachim Vasold überzeugt. Als Bereichsleiter im Coburger Sortierzentrum sind Mehrwegflaschen und – kästen sein Geschäft.
„Neun Euro, das wird der Handel nicht mitmachen“, ist er überzeugt. Persönlich findet er diese Forderung auch überzogen. Wenn er den Wunsch nach einer Erhöhung, zumindest bei den Kästen, durchaus auch nachvollziehen kann. „Das Pfand soll ja nicht den kompletten Wiederbeschaffungswert decken“, sagt er.
Der Kreislauf im Mehrwegsystem von Flaschen und Kästen ist komplizierter, als es uns Verbrauchern deutlich wird. Und er ist empfindlich, wie Joachim Vasold deutlich macht. Was für Konsumenten so schön einfach und kundenfreundlich aussieht, könnte gar zur Gefahr für das Mehrwegsystem werden, das doch ökologisch so vorteilhaft ist. Dass Supermärkte praktisch jedes Leergut annehmen, auch wenn sie es nicht im Sortiment haben, freut den Kunden. Weil so aber Leergut beim Handel landet, das er an seine Lieferanten nicht los wird, werden die fremden Kästen zu Granulat geschreddert. Die Brauerei sieht sie nie wieder.
Pfand gegen Schreddern
Das lohnt sich, weil das Pfand für die Kiste nur 1,50 Euro beträgt. Für den geschredderten Kasten gibt es aber 1,30 Euro – daher lohnt sich der Transport zum Ursprung der Kästen nicht. Es ist einer der Hauptkritikpunkte von Georg Rittmayer. Der Präsident des Verbandes der bayerischen Privatbrauereien versucht zurzeit intensiv, eine Pfanderhöhung durchzusetzen. Mehr als 40Brauereien haben ihm bereits versichert, dass sie mitziehen werden. Alle sind überzeugt, dass sich das im Handel durchsetzen lässt.
Joachim Vasold ist das nicht. Er nennt mehrere Gründe. Großbrauereien, ist er überzeugt, werden sich nicht beteiligen. Es gäbe also im Handel Flaschen mit unterschiedlichen Pfandsätzen. Bei Flaschen gleichen Typs, etwa der häufigen Euro- oder NRW-Flaschen könnten die auch im gleichen Kasten gebracht werden. Um die Pfandunterschiede zu ermitteln, müssten die Flaschen einzeln durch einen Getränkeautomaten angenommen werden. Der dazu in Getränkemärkten oft erst noch aufgestellt werden müsste. „Das macht der Handel nicht“, ist Vasold sicher.
Würde das Pfand deutlich erhöht, hieße das auch, dass dreimal so viel Geld gebunden in Leergut stecken würde. Bei großen Getränkemärkten sind das jetzt bereits Millionen von Euro. Auch das werde der Handel sicher nicht akzeptieren wollen, meint Joachim Vasold.
Schon jetzt haben Großbrauereien kein besonderes Interesse daran, ihre Flaschen aus dem gesamten Bundesgebiet zurückzuholen. Noch weniger bei Exportware, denn im Ausland gibt es fast nirgends ein derartig funktionierendes Mehrwegsystem wie bei uns. „Das gibt es vergleichbar vielleicht noch in Österreich oder Tschechien, sonst nicht“, sagt Joachim Vasold. Steige das Pfand, bedrohe das womöglich das Mehrwegsystem in seiner Gesamtheit.
Sortieren hilft
Dass vor allem die rund 250 Brauereien in Oberfranken, für sie passende Gebrauchtflaschen zurückbekommen, ist der Geschäftszweck des Sortierzentrums an der Coburger Gärtnersleite. „Bei uns kommen jede Woche mehr als 150 000 einzelne Flaschen an. Der Großteil geht wieder an fränkische Brauereien“, sagt Joachim Vasold.
Dass die meisten so genannte Poolflaschen sind, etwa die Euro- oder die NRW-Flasche, erleichtert das Funktionieren des Systems. Die Vielfalt an Flaschen insgesamt erschwert es. „Es gibt in Deutschland durch Größe, Farbe, Form und Branding über 240 verschiedene Bierflaschen“, sagt Joachim Vasold. Alle Typen schlagen in der Gärtnersleite auf – und werden möglichst zu ihren Brauereien zurückgebracht, deutschlandweit. Der steigende Anteil von Individualflaschen, die kein anderer Hersteller verwenden kann, schadet ebenfalls dem Mehrwegsystem.
Was zu hohes Pfand anrichten kann, zeigt sich für Joachim Vasold an PET-Flaschen. Für wenige Cent bekommt der Verbraucher 1,5 Liter Mineralwasser. Ein Preis, der nur möglich werde, weil das Pfand 25 Cent beträgt. Die Hersteller kalkulieren gezielt mit einer bestimmten Menge an PET- Flaschen, die nicht zurückkommen. Das Pfand, das daher auch nicht ausgezahlt wird, sorgt für Rentabilität. Die so erzielten Einnahmen nennen Fachleute den Pfandschlupf.
Anstieg ja – aber moderat
Zu so einem Verhalten dürfe es bei Glasflaschen nicht kommen, warnt Joachim Vasold. An die Erhöhung des Pfandes auf neun Euro glaubt er noch nicht. Ein Anstieg sei aber wahrscheinlich. Ende des Jahres will Georg Rittmayer mit seinen Verbandskollegen entscheiden. Dazu kann Joachim Vasold nur sagen: „Warten wir ab, was in Sachen Pfanderhöhung passiert. Letztlich wird es der Markt regeln.“
Georg Rittmayer ist weiter zuversichtlich. Bei Verbrauchern stoße er auf viel Verständnis für eine deutliche Pfanderhöhung, wenn er die Gründe erklärt, sagte er bei einem Pressegespräch. Schwieriger dürfte es mit dem Verständnis beim Handel werden.