Brauereien bekommen Leergut immer häufiger in chaotisch zusammengewürfelten Kästen zurück – Betrieb in Coburg schafft Abhilfe
Ein wahrer Wildwuchs hat den Bierflaschen-Markt in den vergangenen Jahren heimgesucht. Fast jede Brauerei scheint ihre individuelle Flaschenform haben zu wollen. Das Problem dabei: Die Brauer bekommen immer mehr fremde Flaschen vom Handel zurück. Ein großes Verlustgeschäft – wäre da nicht ein Coburger Unternehmen, das Millionen von Flaschen für die Brauereien sortiert.
Coburg – 10.000 Bierflaschen nimmt jeder Mitarbeiter des Coburger Sortierzentrums pro Schicht in die Hand 1,250 pro Stunde schaut er genau an, überprüft Form, Größe und Zustand und bringt sie an den richtigen Bestimmungsort. Leicht ist das nicht, denn hier kommen rund 200 verschiedene Flaschenformen von etwa 200 Brauereien an. Ob das „Grünerla“ in der 0,25-Liter-Flasche, das „Paulaner Zwickl“ in der 0,4 Liter-Pulle oder das 0,75-Liter-Ungetüm von „Maisel & Friends“: Die Hersteller lassen sich ständig etwas Neues einfallen, um sich von den Konkurrenten zu unterscheiden.
„Zwei bis drei Monate braucht man schon, bis man die Flaschen gut und richtig sortieren kann“, meint Joachim Vasold, Leiter des Sortierzentrums. Deshalb ist es auch recht schwierig für ihn, neue Mitarbeiter zu finden. Studenten und Ferienjobber kann er wegen der langen Einarbeitungszeit nicht gebrauchen, bei anderen zeigt sich erst nach einigen Wochen, ob sie das Sortieren lernen können – oder eben nicht.
250 000 Bierflaschen am Tag bringen die Mitarbeiter des Coburger Sortierzentrums in den richtigen Kästen unter. 400 000 Kästen stehen derzeit am Hof, für genug Arbeit ist nächster Zeit also gesorgt. Der Getränkehandel schafft es derzeit noch, relativ gut sortierte Kästen an die Brauereien zurückzuschicken, bei den großen Supermärkten nehmen die fremden Flaschen aber Überhand. „Da steht halt der Azubi an einem Band voller Einzelflaschen und räumt alles in die Kästen, was irgendwie reinpasst“, verdeutlicht Vasold. Diese Flaschen einfach wegzuschmeißen und neues Glas zu kaufen, wäre aber viel zu teuer für die Brauereien. Deshalb bezahlen sie lieber das Coburger Sortierzentrum dafür, ihnen korrekte Flaschen zu liefern.
Imageschaden befürchtet
„Vor 20 Jahren war alles noch einfach. Da gab es die dicke, gedrungene Euro-Flasche, die schlankere, höhere NRW-Flasche und die Longneck-Flasche mit einem dünnen Hals“, sagt Vasold. Doch dann wollten sich große Brauereien wie Veltins und Radeberger sichtbar von der Konkurrenz unterscheiden und führten eine individualisierte Flaschenform ein. Später zogen viele nach, auch aus anderen Gründen. Denn die einheitlichen Flaschen landeten alle in einem großen Pool, für den sich niemand so richtig zuständig fühlte. Die Folge: Die Qualität des Leerguts wurde immer schlechter, manche Hersteller befürchteten einen Imageschaden. Außerdem taten sich die Brauereien schwer, zu Spitzenzeiten genug Flaschen zur Verfügung zu haben.
Durch die vielen Flaschentypen auf dem Markt bildete sich langsam eine neue Branche: die der Flaschentauscher. Diesen Bedarf erkannte auch Peter Sagasser, Chef einer großen Kette von Getränkemärkten in Nordbayern und Südthüringen, und siedelte auf seinem Firmengelände in Coburg das heutige Sortierzentrum an.
Doch was heißt hier schon „Sortierzentrum“? „2008 haben wir einfach ein paar Biertische und Sonnenschirme in den Hof gestellt und mit dem Sortieren angefangen“, erzählte Vasold. Dann klapperte er nach und nach die Brauereien ab und warb Kunden, ein Zelt mit erst einer, schließlich drei Sortieranlagen entstand, bevor 2014 eine große Halle für das Sortierzentrum gebaut wurde.
Aus ganz Deutschland landen heute Flaschen in Coburg, große Lieferungen, etwa von Bitburger oder Jever, holt das Unternehmen selbst ab, kleinere liefern die Brauereien an. Der Schwerpunkt liegt aber natürlich auf regionalen Anbietern. „Wir sortieren für rund 100 der der oberfränkischen Brauereien“, sagt Vasold.
Ein besonderer Fokus liegt deshalb auch auf den regional so typischen Flaschen mit Bügelverschluss. „Auf den Bügel ist meist der Name der Brauerei aufgedruckt. Deshalb muss beim Sortieren jeder Bügel einzeln angesehen werden. Da gibt’s dann also schnell 35 verschiedene Flaschen, obwohl die Grundflasche eigentlich gleich ist“, erläutert Vasold.
Die Kosten durch die Individualisierung sind hoch. „Wenn man viel im Lebensmitteleinzelhandel verkauft, braucht man schnell 80 bis 100 Cent pro Kasten, um 20 richtige Flaschen zum Abfüllen zu bekommen“, meint Vasold.
Auch deshalb gibt es einen leichten Trend zurück zur traditionellen, gedrungenen Euro-Flasche, wie sie Schlenkerla oder Augustiner seit jeher verkaufen. Nicht zuletzt, weil diese Flaschenform gleichzeitig einen angenehmen Nebeneffekt bietet: „Die Kästen für Euro-Flaschen sind niedriger. Deshalb kann der Handel die höheren Flaschen dort nicht reinstellen und die Brauereien bekommen weniger Fremdflaschen zurück“, verdeutlicht Vasold.