Biervielfalt und Flaschenchaos
SORTIERZENTRUM Von Coburg aus versorgt die Sagasser-Firmengruppe die Brauereien mit den richtigen leeren Flaschen. Jeden Tag ordnen die Mitarbeiter in Handarbeit 300 000 davon. Es gibt 180 verschiedene Typen

Coburg — „Das sind keine Mehrwegflaschen!“ Aus dem Augenwinkel heraus und im Vorbeigehen hat Joachim Vasold die beiden kleinen braunen Flaschen erkannt und aus dem Getränkekasten gezogen. Die Glasflaschen mit dem Bügelverschluss wandern direkt in den Altglascontainer. Weder ist es das Fassungsvermögen von 0,33 Litern, noch die bauchige handschmeichelnde Form, die den Weg auf den Scherbenhaufen bedeuten. „Es ist das Branding. Auf das Glas sind der Markenname und anderes mehr aufgedruckt. Damit scheidet eine Wiederverwendung aus.“
Wenn es um leere Bierflaschen geht, ist Joachim Vasold in seinem Element. In 180 verschiedene Mehrwegflaschen füllen die Bierbrauer ab. Vasold kennt die Unterschiede und Eigenarten genau. Der Oberpfälzer leitet das Coburger Sortierzentrum, ein Unternehmen der Sagasser-Firmengruppe.
Ohne maschinelle Hilfe
Jeden Tag nehmen die 45 Mitarbeiter des Sortierzentrums während der drei Schichten 300 000 leere Bierflaschen in die Hand. Ohne maschinelle Hilfe, ausschließlich per Hand, sortieren die Männer in einer Halle am Fuß des Coburger Burgbergs für 190 Brauereien leere Flaschen.
In rascher Folge hieven Gabelstapler palettenweise Bier- kästen mit leeren Flaschen auf die vier Sortierlinien. Große, kleine, dicke, dünne, bauchige und schlanke Flaschen haben die Sagasser-Sattelschlepper von Brauereien und Getränkemärkten in den Coburger Stadtteil Cortendorf transportiert. Da gibt es Flaschen mit Dreh- und Kronkorkenverschluss, solche mit Bügelverschluss und welche in verschiedenen Farben. Die Masse ist braun oder grün.
Die 20 leeren Flaschen aus einem Kasten ordnen die Männer an den vier Stationen mit flinker Hand neu. „Sechs bis acht Wochen braucht man, um die Unterschiede der Flaschen sofort zu erkennen und sie in den richtigen Kasten zu stellen“, sagt der Betriebsleiter. Schon ist wieder ein Kasten mit gleichen Flaschen gefüllt, bekommt einen Schubs und bewegt sich langsam über die Transportrollen zur Palettenstation.
„Der Verbraucher kauft gern mal verschiedene Biere“, weiß Vasold. Besonders die fränkische Brauereivielfalt beschert dem Kunden immer wieder verschiedene Geschmacksnoten. „Aber im Gegenzug bekommen die Brauereien auch immer mehr verschiedene leere Flaschen zurück.“ Durch die Individualisierung der Gebinde, so Vasold, können schon beim Einkauf unterschiedliche Flaschenarten in einem Kasten sein.
Bei der Rückgabe geht es dem Endkunden in erster Linie darum, das Flaschenpfand zu erhalten. Im Getränkemarkt und Lebensmittelhandel können die Flaschen kaum sortenrein sortiert werden. Dazu kommt die zunehmende Zahl an Leergut-Rücknahmeautomaten in den Supermärkten. „Dort werden die einzelnen Flaschen in die Kästen verpackt, die gerade verfügbar sind.“ Durch die steigende Zahl an Kleingebinden, ergänzt Vasold, kommen immer mehr Einzelflaschen zurück, für die keine Kästen vorhanden sind. „Inzwischen sind mitunter die Hälfte aller leeren Flaschen, die vom Handel an die Brauerei zurückgehen, für diese jeweilige Brauerei nicht abzufüllen.“
Mit oder ohne Verschluss
Die Bierbrauer und Getränkefachgroßhändler sondern die fremden Flaschen aus und verkaufen sie ans Coburger Sortierzentrum. „Wir verändern an den Flaschen nichts. Die Verschlüsse bleiben drauf – es sei denn ein Kunde bestellt offene Gebinde.“ In den vergangenen Jahren hat sich das Coburger Sortierzentrum auf Flaschen mit Bügelverschluss spezialisiert. „Das liegt an den vielen mittelständischen und kleinen Brauereien in der Region, die in diese Flaschen abfüllen. Auch neue Bügelverschlüsse werden auf Wunsch montiert.
Das Geschäft mit den leeren Flaschen hat sich rasant entwickelt. Im Frühjahr 2008 begann die Flaschensortierung bei Sagasser unter Sonnenschirmen und auf Biertischen in einer Ecke des Betriebsgeländes. Die Sortierhalle heute hat eine Fläche von 1600 Quadratmetern, vier Sortierlinien und ist erfüllt von ständigem Flaschenklirren.